Rupprecht Geiger und Ekkeland Götze – Geist und Materie I
On 24. Juli 2024 by FranziskaEin Beitrag von Franziska Straubinger
Aktuell gehen wir hier im Archiv Geiger in die zweite Runde der Ausstellungsreihe „Kunst im Dialog“. Dieses Jahr haben wir den in München lebenden Künstler Ekkeland Götze eingeladen, im ehemaligen Atelier Geigers auszustellen. Im Rahmen dieses Textes gilt es nun näher auf das Begriffspaar „Geist und Materie“ einzugehen. „Geist und Materie“ ist nicht nur der Titel der seit Januar dieses Jahres gezeigten Präsentation im Archiv, es ist gleichzeitig der Titel einer ganzen Werkgruppe Geigers. Was das genau mit dem Schaffen Götzes zu tun hat, wird im Folgenden beleuchtet.
Über zwei Jahrzehnte verband diese beiden Künstler – Geiger und Götze – eine enge Zusammenarbeit im Bereich des druckgrafischen Verfahrens: Ekkeland Götze gilt schon lange als Spezialist in dieser Technik und setzte zahlreiche Entwürfe Geigers in Serigrafien und Multiples um.
Ekkeland Götze ist aber nicht nur Siebdrucker, sondern auch Künstler.
Der 1948 in Dresden geborene Götze eröffnete dort 1977 die erste Siebdruckerei für Künstler. 1988 siedelte er nach München über und schafft seit 1989 Erdbilder: im Rahmen von aufwendig konzipierten Projekten, denen oft eine jahrelange Vorbereitungsphase vorausgeht, sammelt er Erde auf der ganzen Welt und bringt diese mittels eines standardisierten Druckverfahrens in ihrer einzigartigen Struktur zu Papier. Dieses Verfahren nennt er „Terragrafie“. Insgesamt hat er bereits über 1000 solcher Projekte abgeschlossen, zuletzt hat er dieses Jahr den Kilimanjaro erklommen und von dort Erde mitgebracht.
Neben dem standardisierten Druckverfahren sind auch die Größen der Werke standardisiert: von 1 m2 ausgehend gibt es die vollen Quadratmeter, die halben, viertel usw. Es ist nicht ohne Hintergedanken, dass Götze ein Flächenmaß nutzt, das eingeführt wurde um Räume, Fläche, ja das Land und damit die Erde selbst, auszumessen.
Am Grund von Götzes Schaffen steht die Faszination für die Überschneidung von Kulturgeschichte und blanker Materie. Die Orte der Erd-Entnahme werden stets im Rahmen von Kulturelementen ausgewählt, die die Menschen vor Ort mit der „Erde“ verbinden: seien es beispielsweise die mythischen „Songlines“ der australischen Aborigines oder die feurige Erde der Vulkangebiete Italiens, die ein Geben und Nehmen im Sinne von Zerstörung und Fruchtbarkeit für die dort ansässigen Menschen bedeuten, ganz zu schweigen von deren Rolle in diversen Mythologien.
Für Götze gilt es also nicht, möglichst viel Erde vieler Länder zu sammeln, es geht um viel mehr: Götze begibt sich auf den Spuren der Menschheit.
An dieser Stelle soll kurz umrissen werden, wie ein solches Projekt umgesetzt wird. Als Beispiel dient das 2014 realisierte MENABE-Projekt. Hierfür begab er sich auf den Spuren der eingeborenen Völker und des „Großen Rots“ Madagaskars.
Im Vorhinein stellt er Verbindungen zu dem Ort her, Verbindungen zu den Menschen, die ihn vor Ort zu wichtigen oder gar heiligen Plätzen bringen sollen. Er baut den Kontakt zur hiesigen Botschaft auf und präsentiert ihnen sein vorher aufs Detail durchdachte Konzeptpapier. Nicht immer ist dieser Teil eines Projektes einfach, es erfordert viel Geschick und „Connections“ sind immer von Vorteil. Einmal am Ort angekommen lebt Götze in dieser Phase des Projektes oft immersiv mit den dort ansässigen Stämmen, erlebt neben ihrer Gastfreundschaft auch Traditionen und Riten der Menschen und kommt zurück nach Hause mit Erde und immer auch mit einem Packen an Geschichten und Abenteuern.
Die Tatsache, dass die Vorarbeit und die Umsetzung eines Erdbildes immer die gleiche ist, stellt die konzeptuellen Züge von Götzes Schaffen klar und deutlich dar und unterstreicht, dass die Idee genauso großen Stellenwert hat wie das vollendete Erdportrait.
Wenn die Erde einmal gewonnen ist, „erzählt“ diese rein materielle Erde fortwährend unvorhersehbar eigene Geschichten:
Beim Aufeinandertreffen mit dem Träger nämlich – die Methodik ist wie erwähnt immer die gleiche und übrigens auch geheim – entstehen stets in Farbe und Struktur eigenständige Erd-Portraits. Manche Erden bleiben gleichmäßig monochrom, andere ziehen sich zu Rinnsalen zusammen.
Schlussendlich stehen die fertigen Portraits von Erde bei Götze für eine Kulminierung der Erfahrungen innerhalb der Projekte: sie tragen die Erfahrungen des Künstlers, des Ortes und natürlich die eigene Geschichte der Erde in sich. Auch dienen sie auf eine Art wie ein Ready-made: in diesem Falle wird ein Alltagsgegenstand – wie das berühmte Pissoir, das üblicherweise Marcel Duchamp zugeschrieben wird – zu Kunst deklariert. Götze bringt die Erde vom Boden auf die Wand und lässt sie außerhalb des alltäglichen Kontextes von „Schmutz“, den es z.B. beim Schuheabstreifen gilt loszuwerden, für sich stehen. Auf Augenhöhe können die Betrachter*innen sich mit ihr auseinandersetzen und mit den jeweiligen Orten – quasi den Geist – den sie immer inhärent mit sich trägt, erspüren.
In Kontrast zu dieser erdigen Materie stehen die Werke Rupprecht Geigers (1908–2009), deren leuchtende Farbigkeit sofort ins Auge sticht. Der für seine monumentalen pinken Farbfelder bekannte Münchner Künstler arbeitet zunächst gegenständlich: während des Zweiten Weltkriegs kommt er nach Russland, nahe Moskau wo seine ersten Gemälde mit Landschaftsdarstellungen entstehen. Schon darin jedoch zu sehen ist seine Faszination für Licht und Farbe: er untersucht aufs Genaueste die Sonnenauf- und -untergänge und hält die verschiedenen Variationen der Farbschichten im Himmel in Tagebüchern fest. Diese Farbverläufe spielen bis in sein Spätwerk hinein eine große Rolle, eben auch als er nach Kriegsende – wie so viele seiner Kollegen und Kolleginnen – der figurativen Malerei den Rücken kehrt und fortan gegenstandslose Werke schafft, deren Motiv die Farbe selbst ist.
Anfang der 1950er Jahre fängt er an, Tagesleuchtpigmente in sein Schaffen zu inkludieren. Als er sie anfangs in kleinen Mengen von Freunden aus den USA erhält, setzt er sie partiell in Kombination mit herkömmlichen Pigmenten ein, im Sinne eines „Anreizers“ oder „Exponenten“, wie er es selbst nennt, um Letztere neu in Erscheinung treten zu lassen.
Geigers Werk bewegt sich kurz nach Ende des Zweiten Weltkrieges zielgerichtet in die Richtung, „Farbe an sich“ sichtbar zu machen.
Dies versucht Geiger nicht nur bei seinen ca. 1000 Gemälden, sondern auch innerhalb seiner unzähligen druckgrafischen Editionen. Das immer zurückhaltendere Formenvokabular von gedrücktem Kreis und Rechteck, sowie die mit der Zeit immer ausschließlicher werdende Verwendung von chemisch hergestellten und damit „abstrakteren“ Tagesleuchtpigmenten, ebneten den Weg zur Findung des „Portraits der Farbe“.
Die Serigrafie hatte einen fast ebenso wichtigen Stellenwert für Geiger wie die Malerei. Sie ermöglichte es ihm zum einen, dass er – wie der Name schon verlauten lässt – an „Serien“ arbeiten konnte, d.h. mit verschiedenen Farb-Variationen innerhalb eines Motivs zu experimentieren; zum anderen machte es die Auflagenhöhe möglich, seine Kunst unter die Menschen zu bringen. Auch lässt sich eine Farbmodulation auf unterschiedlichste Art – von ebenmäßig steigernd zu gesprenkelt – beim Siebdruck gut umsetzen. Zu erwähnen ist zudem, dass es sich bei seinem druckgrafischen Werk stets um eigenständige Werke handelt, sprich, dass die Motive – mit der Ausnahme von einem – nicht von Gemälden entnommen sind. Dies unterstreicht auch, welchen Stellenwert die Druckgrafik für ihn hatte.
Da Geiger selbst kein Siebdrucker war, arbeitet er während seiner Schaffenszeit mit unterschiedlichen Druckern zusammen, u.a. ab 1992 eben mit Ekkeland Götze. Während manche Siebdrucker versuchten, den Entwurf Geigers möglichst genau wiederzugeben, näherte sich Götze mehr der Idee Geigers und entwickelte sogar eine Rezeptur, die Original-Pigmente Geigers aus dem Atelier zu Siebdruckfarben anzusetzen.
Für Teil II hier entlang!
Kategorien
Neueste Beiträge
Archiv Geiger
Archive
- September 2024
- August 2024
- Juli 2024
- Februar 2024
- April 2023
- März 2022
- September 2021
- Juni 2021
- Mai 2021
- April 2021
- Dezember 2020
- November 2020
- Oktober 2020
- September 2020
- August 2020
- Juli 2020
- Juni 2020
- Mai 2020
- April 2020
- März 2020
- Februar 2020
- Januar 2020
- April 2018
- Februar 2018
- Oktober 2017
- April 2017
- Februar 2017
- Januar 2017
- Dezember 2016
- Oktober 2016
- September 2016
- Juli 2016
- Mai 2016
- April 2016
- März 2016
- November 2015
- September 2015
- Juli 2015
- Juni 2015
- Mai 2015
- April 2015
- März 2015
- Februar 2015
- Januar 2015
- November 2014
- Oktober 2014
- September 2014
- August 2014
- Juli 2014
- Juni 2014
- Mai 2014
- April 2014
- März 2014
- Februar 2014
- Januar 2014
- Dezember 2013
- November 2013
- Oktober 2013
- Juli 2013
- Juni 2013
- Mai 2013
- April 2013
- März 2013
- Februar 2013
- Januar 2013
- Dezember 2012
- November 2012
- Oktober 2012
- September 2012
- August 2012
- Juli 2012
- Juni 2012
- Mai 2012
Neueste Kommentare