Geiger am Bau #11: 2000 Rot (WV 890), WWK Lebensversicherung, 2000

Ein Beitrag von Sarah Massumi

Im November wollen wir die fünfteilige Rauminstallation, die von Rupprecht Geiger in den Jahren 1999 und 2000 eigens für die Eingangshalle des kurz zuvor fertiggestellten Neubaus der WWK in München konzipiert wurde, näher betrachten.

Das aus unterschiedlichen Leinwandformaten bestehende Ensemble passt sich den besonderen räumlichen Gegebenheiten des Foyers an. In den sich über zwei Etagen erstreckenden Eingangsbereich wurden zwei hochrechteckige Gemälde eingepasst.

Architektonisch durch das eingezogene 1. Stockwerk abgesetzt, wird der weiter hinten liegende, niedrige Empfangsbereich farblich durch die drei anderen Gemälde der Werkgruppe an den Eingangsbereich angeschlossen. Ein langgezogenes Rechteck überspannt beinahe die gesamte Länge des Empfangstresens, während die beiden flankierenden, unregelmäßig geformten Leinwände durch je zwei Säulen noch eine zusätzliche räumliche Betonung erfahren.

Allen Arbeiten ist der intensiv leuchtende Farbverlauf gemein, welcher von einem hellen Zitronengelb in ein kräftiges, feuerwehrrotes Orange übergeht. Das durch die Glasfassade einfallende Licht beeinflusst und verändert die Farbwirkung der Gemälde je nach Tageszeit und Wetterlage spürbar.

Die Farbe als Element, insbesondere die Farbe Rot als Quelle von Energie und Leben, war zentral für das künstlerische Schaffen Geigers. Von Neongelb bis hin zu Leuchtpink umfasste die Farbe für Geiger unzählige Abstufungen und Zwischentöne. Ebendiese feinen Zwischentöne suchte der Maler durch „Modulationen“, die für ihn typischen Farbverläufe, wiederzugeben. Der stufenlos wirkende Farbauftrag durch die Luftdruckspritzpistole, wie er auch in der Rauminstallation „2000 Rot“ zum Einsatz kam, sollte jegliche Assoziation von Gegenständlichkeit vermeiden. Es galt, selbst die Handschrift des Künstlers zu negieren, um allein den „Geist der Farbe“ hervortreten zu lassen. Diesem Ziel diente auch das reduzierte Formenvokabular, welches sich auf Variationen des Rechtecks und des für Geiger charakteristischen „gedrückten Kreises“ beschränkte. Eine Sonderform – der rechtwinklig angeschnittene, gedrückte Kreis, tritt in dieser Zeit Ende der 1990er Jahre erstmals im Formenrepertoire des Künstlers auf, sie findet sich auch in der Werkgruppe der WWK wieder.

Erst bei aufmerksamen Hinblicken offenbart sich der Verzicht auf eine formal und farblich durchgängige Symmetrie, wie sie die Raumsituation in der WWK hätte bieten können. Die unterschiedlichen Ausrichtungen der Modulationen und Formate bieten nur vage Landschafts-Assoziationen. Einmal mehr verwirklichte der zum Zeitpunkt der Entstehung 92-jährige Künstler hier sein Konzept des begehbaren Farbraums, der dem Eintretenden durch das „Tanken“ der Farbe Kraft und Energie spenden soll.

TECHNISCHE ANGABEN

Technik: Acryl/Leinwand

Format: je 500 x 150 cm (Eingangshalle), je 150 x 160 cm (Empfang, Halbrund), 80 x 600 cm (Empfang, Rechteck)

Ort: Eingangshalle der WWK Lebensversicherung AG, Marsstraße 37, 80335 München

Architekt: Peter Lanz, München

Auftraggeber: WWK Versicherungen

Zitierweise: Sarah Massumi, Geiger am Bau #11: 2000 Rot (WV 890), WWK Lebensversicherung München [24.11.2020], in: Archiv Geiger Blog LINK (zuletzt aufgerufen am TT.MM.JJJJ)

Titelfoto: Andreas Pauly, München