Geiger am Bau #14: Farberlebnis, 1982

Ein Beitrag von Julia Geiger

Die bayerische Stadt Landshut, unweit von München entfernt, bildet für die Familie Geiger einen besonderen Bezugsort. Willi Geiger, der Vater von Rupprecht Geiger, verbringt dort als gebürtiger Landshuter seine Kindheit und Jugend. Zahlreiche Werke zeugen von seiner Verbundenheit mit diesem Ort. Der Stadt Landshut vermacht er noch zu Lebzeiten Schlüsselwerke, darunter auch das bekannte Gemälde Der Generalstab aus dem Jahre 1947. Rupprecht begleitet seinen Vater immer wieder in dessen Heimatort und schaut sich gerne mit seiner Familie auch in späteren Jahren die Landshuter Hochzeit an. Wie sein Vater bleibt er Landshut stark verbunden. Insbesondere die einzigartige und unvergessliche Präsentation der beiden monumentalen Fahnen Morgen Rot und Abend Rot in der Landshuter Spitalkirche Heiliggeist im Jahr 2000 bleibt eindrucksvoll in Erinnerung.

Ein weiteres spannendes Raumprojekt bildet das zwei Jahrzehnte vorher entstandene, hier besprochene Werk Farberlebnis in der Schwimmhalle der Sparkassenakademie in Landshut. Die Raumgestaltung entspricht vollkommen der damaligen künstlerischen Sprache Geigers, sowohl im Hinblick auf die Farbkonzeption als auch auf den Formenkanon, den er 1975 wie folgt zusammenfasst:

„Der gezirkelte Kreis, das gleichschenklige Quadrat (Mathematik) sind nicht mehr Ausdruck unserer Zeit. Das Oval dagegen (Einstein) und das liegende Rechteck sind unbekannte Größen und offener in ihren optischen Maßen, sind als Ausdruck der Zeit j e t z t und der Zeit v o r u n s besser geeignet.“

Der Künstler setzt zwei archetypische großformatige Farbfelder zusammen, die farblich und formal kontrastieren: Ein dunkelorangener, gedrückter Kreis hängt mit wenig Abstand neben einem pinken, vertikalen Rechteck. Die am Beckenrand, unweit von den roten und pinken Aluminiumplatten platzierten Steine, nehmen einen direkten Bezug zu der umliegenden Parkanlage mit Wasserlandschaft auf. Rupprecht Geiger hat es immer gereizt, seine Kunst in die Natur zu integrieren und einen spannenden Dialog zwischen diesen Bereichen zu erzeugen. Sein Meditationsraum in Taufkirchen an der Vils von 1991 ist das beste Beispiel für eine solche Auseinandersetzung.

„Farblichtstrahlen, von Lichtwellen getragene Farbsubstanzen, sind in der Atmosphäre (Abendrot – Morgenrot) als farbige Lichterscheinungen wahrnehmbar – Licht ist über allem. In den Wolken, im Nebel, auf Schneefeldern, Seen spiegelt sich das Licht. Reflektiert geht es in die Gesamtstimmung ein“, Rupprecht Geiger, 1970/1975.

Ein besonderes Merkmal vom Farberlebnis in Landshut bildet die Spiegelung des Werkes auf der Wasseroberfläche des Schwimmbeckens. Durch die Verdoppelung der beiden Werkelemente wird die Illusion einer Dreidimensionalität erzeugt und verstärkt. Erst dadurch erhält das Werk seine einnehmende Raumwirkung und wird zu einer vollkommenen Farbraumgestaltung. Eine ähnliche Situation findet sich bereits in einem 1973 entstandenen Raumkonzept, nämlich im Schwimmbad der Joseph-von-Fraunhofer-Schule in Fürstenried.

Das Farberlebnis in Landshut steht am Anfang einer Reihe weiterer Kunst am Bau-Projekte, die sowohl in der Materialität als auch in der Form- und Farbgebung konzeptuell verbunden sind. In den achtziger Jahren entstehen in München zum einen die Raumgestaltung vom Theresianum in der Technischen Universität München 1986, zum anderen diejenigen der U-Bahn Haltestelle Machtlfinger Straße 1989.

TECHNISCHE ANGABEN

Technik: Acryl/Aluminium

Format: 350 x 360 cm (Oval), 360 x 105 cm (Rechteck)

Architekten: Architektengemeinschaft Bauer, Kurz, Stockburger, München

Bauherr: Sparkassenverband Bayern

Zitierweise: Julia Geiger: Geiger am Bau #14: Farberlebnis, 1982 [27.05.2021], in: Archiv Geiger Blog LINK (zuletzt aufgerufen am TT.MM.JJJJ)

Titelbild: Julia Geiger, Archiv Geiger, München