Rupprecht Geiger Werkübersicht #13: 787/88 (Großes Rollenbild) (WV 768), 1988
On 30. Januar 2015 by FranziskaEin Beitrag von Sandra Westermayer
Die heutige Werkbeschreibung liefert uns unsere Mitarbeiterin Sandra Westermayer, die die kunsthistorischen Führungen im Archiv Geiger hält. Ein herzliches Dankeschön an dieser Stelle!
Mit diesem Rollenbild betrachten wir ein Gemälde aus einer ganz speziellen Werkgruppe im Oeuvre von Rupprecht Geiger, die in dem kurzen Zeitraum von 1988-1991, geschaffen wurde: die nach unten frei hängenden Gemälde.
Hierzu zählen die Rollenbilder und ein paar weitere, konzeptionell ganz nah angesetzte, so genannte ‚offene Leinwände‘, d.h., es existiert kein Keilrahmen, auf den die Leinwand aufgezogen ist. Die jeweilige Hängevorrichtung ist unterschiedlich, von an der Leinwand angebrachten Holzleisten oder Ringösen bis überhaupt nicht vorhanden – hier befestigt man die Leinwand direkt mit feinen Nägeln an der Wand (vgl. Rollenbild d (Strong rot) (WV 795), um 1990) –, getreu dem Motto „Eine Farbe allein muss dem Wunsch nach Form Genüge tun können.“ (aus: Geiger, Rupprecht: Antworten, in: Kat. Ausst. Kunstverein Braunschweig 1989, S. 27).
Das ‚Große Rollenbild‘ (WV 768) ist das erste von insgesamt sechs entstandenen Rollenbildern. Ihnen allen gemein ist die Tatsache, dass Rupprecht Geiger eine, in einem Farbton verbliebene, Farbmodulation, Tagesleuchtpigmente in Acryl gebunden, auf weiß grundierte Leinwand setzt. Die Leinwände können, müssen aber nicht beidseitig farbig gefasst sein. In dem besprochenen Werk ist die Leinwand nur einseitig farbig gestaltet und weist die Maße 368 x 227 x 26,5 cm auf, sie ist an einer stabilen Rolle befestigt. Der Farbverlauf steigert sich von einem hellen, durchscheinend wirkenden Pink auf der auslaufenden Leinwand bis hin zu einem stark verdichteten, dunklerem Pink nahe, auf und um die Rolle.
Rupprecht Geiger fertigt die Rollenbilder auf der Empore des Hauptraums seines Ateliers, die Leinwand hängt über die Brüstung und wird Stück für Stück über diese nach unten geschoben – nur so ist es möglich, bis 7 Meter lange Werke zu realisieren (vgl. WV 796, Rollenbild, 1990). Er setzt die Farbe durch Tupfen des Pinsels – in Bahnen von links nach rechts – auf den Bild- bzw. den Farbträger und wird nach und nach dunkler im Farbton. Durch die Technik des Tupfens hat man bei nahem Betrachten der Leinwand den Eindruck als ’sehe man fast rissige Erde‘ (aus: Mack, Gerhard: Farbe als Gegenwelt. Ein Blick auf Rupprecht Geigers späte Malerei, in: Kat. Ausst. St. Petersburg 1994, S. 130). Man glaubt beinahe, einzelne Pigmentkörner zu sehen, die der Leuchtfarbe eine grobe Materialität verleihen. Diese Materialität ist es, die dem Auge ein Flimmern vorspielt und den Eindrckt weckt, die Farbe sei in Bewegung. Betrachtet man das helle Pink am Auslaufen der Leinwand, zieht die immer dunkler und satter werdende Farbe den Blick stetig weiter und fordert das Eintauchen in immer massiger werdende Gefilde Richtung Rolle. Bei der Rolle angekommen, vermittelt einem diese, dass das Dunkler- und Satterwerden des Farbtons niemals ein Ende hat und bis in die Unendlichkeit fortgeführt wird. Dies ist natürlich nur eine Illusion, aber eine geschickt hervorgerufene… Ist die Leinwand, wie anfangs erwähnt, beidseitig farbig gefasst, verstärkt sich der Eindruck um einiges, da die Wand, an dem das Werk angebracht ist, die Farbe zudem reflektiert und auf diese Weise das Werk gänzlich und rundherum in seiner Farbigkeit er-’scheint‘.
Auch ein anderer Aspekt dieser Rollenbilder ist nicht zu unterschätzen: Rupprecht Geiger hat mit der Schaffung dieser ganz eigenen Werkgruppe ganz geschickt das Problem der Lagerung sowie des Transports gelöst. Da er im Laufe seiner Schaffenszeit immer monumentaler in seinen Werken geworden ist und hier an die Grenzen des Möglichen gegangen ist, hat er sich kurzerhand eine sehr kreative Lösung, ganz im Dienste seiner Idee der ‚befreiten Farbe‘, einfallen lassen, um noch größere Farbflächen schaffen zu können. Man kann diese Rollenbilder tatsächlich ‚aufrollen‘, so nehmen sie die Breite der Rolle sowie etwas mehr als deren Durchmesser an Raum ein, um gelagert bzw. transportiert zu werden. Auch bricht hier wieder einmal, wie so oft zu beobachten, der dreidimensional denkende Architekt in Geiger durch. Die Rollenbilder – ein wahrer Geniestreich!
Zitierweise: Westermayer, Sandra: Werkbeschreibung 787/88 (Großes Rollenbild) (WV 768) [30.01.2015], in: Archiv Geiger Blog LINK (zuletzt aufgerufen am TT.MM.JJJJ)
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