Rupprecht Geiger Werkübersicht #9: 598/70 (Signal gelb) (WV 575), 1970
On 30. September 2014 by FranziskaEin Beitrag von Nina Holm
Für die aktuelle Bildbeschreibung konnten wir die Kunsthistorikerin Nina Holm gewinnen, die uns zudem auch im Bereich der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit unterstützt! An dieser Stelle: vielen herzlichen Dank!
Zwischen 1968 und 1974 schafft Rupprecht Geiger Werke, die vor allem durch kreisrunde Motive in Kombination mit hellen Farben bestechen. Die Farbspektren Hellgelb bis Orange sowie Eierschalenweiß bis Hellgrau finden sich in vielen seiner Bilder dieser Zeit. Er vereinte runde, leicht oval anmutende Formen – „gedrückte Kreise“ – mit weißen oder vom Pastelligen ins Weiße übergehenden Farben. Eingefasst wurden die kreisrunden Ovale in rechteckige Formen, als Bildträger dienten Leinwand oder Holz.
598/70 (Signal gelb) (WV 575) aus dem Jahr 1970 ist ein rundes Holzobjekt mit den Maßen 124 x 138 x 25 cm, das sich nach vorne hin zylindrisch leicht verschmälert oder besser gesagt: das die Form eines Kegels hat, dessen Spitze zu zwei Dritteln abgeschnitten ist. Die Seiten des Objekts sind in Weiß gehalten, während die glatte, ebene Vorderseite mit der Spritzpistole in hellgelb bearbeitet wurde, mit einer Tendenz ins Weiße zur Mitte hin. Das Werk ist ein ideales Beispiel für Geigers Bestreben, einem Bild sowohl als physische Erscheinung Raum zu geben, als auch dessen Form als reinen Übermittler von Farbe zu betrachten.
Als Hybrid aus Skulptur und Gemälde, lässt 598/70 (Signal gelb) verschiedene Sicht- und Interpretationsweisen zu. In Kopfhöhe an der Wand montiert betrachtet, assoziiert man die geometrische Form unmittelbar mit einem leuchtenden Himmelskörper, beispielsweise einer strahlenden Sonne, vor bedecktem, gräulichem Himmel. Das warme Gelb strahlt Ruhe und Besinnlichkeit aus. Aufgrund seines dreidimensionalen Charakters und des fast unmerklich ins Weiße changierenden gelben Farbtons vermittelt das Werk den Eindruck, als wölbe sich die Oberfläche von innen nach außen – oder umgekehrt.
Eine weitere optische Täuschung geht mit einigem räumlichen Abstand zum Bild einher: die glatte, gelbe Oberfläche setzt sich hart vom Rest der Skulptur ab, die wiederum mit dem Hintergrund, der weißen Wand, verschmilzt. So löst sich die Farbe von ihrem Träger und steht und leuchtet für sich alleine im Raum. Betrachtet man das querovale Objekt aus einer frontalen Perspektive, könnte man es sogar mit dem Querschnitt eines hartgekochten Hühnereis in Verbindung bringen, das zu spät abgeschreckt wurde. Nicht nur die Farben, auch die nicht ganz parallel zueinander laufenden Linien machen den Vergleich mit Eidotter und Eiweiß aus.
Allen Assoziationen ist jedoch die Tatsache gemein, dass 598/70 (Signal gelb) keinen Anfangspunkt bietet, von dem aus unser Auge das Bild und die Materie erkunden und abtasten könnte. Die wabernde, gleißend hellgelbe Masse verschwimmt vor unseren Augen, droht gar aus der Bildumrandung hinaus zu schwemmen. Hier behauptet sich das Leuchtgelb gegenüber dem Weiß, dessen dezente Aufgabe es ist, für eine Umrahmung und Unterstreichung der Farbe zu sorgen.
Seit Ende der Vierziger Jahre sieht Geiger in der Verwendung verschiedenster geometrischer Formen lediglich Oberflächen, die die Farben in ihrem Verlangen nach Wahrnehmung unterstützen sollen.
Das Werk ist rückseitig signiert. Es befindet sich in Privatbesitz und wurde zuletzt 2011 in der Akademiegalerie Düsseldorf im Rahmen der Ausstellung Rendez.vous der Maler I – Malerei an der Kunstakademie Düsseldorf von 1946 – 1986 gezeigt.
Weitere Ausstellungen: 1992 Rosenheim; 2007 München; 2008 Siegen; 2009 Berlin.
Zitierweise: Holm, Nina: Werkbeschreibung 598/70, 1970 (WV 575) [30.09.2014], in: Archiv Geiger Blog LINK (zuletzt aufgerufen am TT.MM.JJJJ)
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