Die Familie Geiger: Florian Geiger
On 12. Oktober 2016 by ArchivFlorian Geiger bezeichnet sein künstlerisches Schaffen, programmatisch seinem vielseitigen Lebensentwurf entsprechend, wiederum so: „Weit gefächert der Blick, an jeder Weggabelung offen für neue Richtungen“.[i] Nach seinem Architekturstudium in München und Berlin in der ersten Hälfte der 1960er-Jahre arbeitet er zunächst in verschiedenen Architekturbüros in Berlin und London. Parallel und ergänzend zu dieser Tätigkeit entwickelt er spannende Konzepte zu utopischen Architekturprojekten, die gewissermaßen heutigen architektonischen Problembewältigungen in Megalopolen sowie der Auseinandersetzung mit ökologischen Lösungen vorausgehen. Zum Thema „Häuser mit stürzenden Wasserwänden“ entsteht ein Zyklus frei gezeichneter Entwürfe mit wenig farbigen Akzenten, die als Serigrafien vervielfältigt werden – exemplarisch hierfür steht das Blatt „Ohne Titel“, um 1970. Rechts der mittigen, organischen und naturnahen Zeichnung, die durch graue und leuchtorangene Strahlen betont und dadurch ins Künstlerische überhöht wird, sind weitere Vorstufen der Idee in Seitenansichten und Grundriss zu erkennen – links wiederum wird der zentrale Entwurf in zwei detaillierten Ausführungen konkretisiert, deren Essenz es ist, in der Architektur platzsparend – statt in die Breite in die Höhe – zu planen und grüne Flächen auch an ungeahnten Stellen zu positionieren.
Vor dem Neuanfang in Südfrankreich beschäftigt sich Florian bereits mit Segelobjekten aus Papier für den Innen- und aus Stoff für den Außenbereich, die seine spätere Arbeit mit künstlerischen und am Entstehungsort formal sowie den klimatischen Bedingungen stark angepassten Sonnensegeln vorbereiten. Ab 1990 stellt er außerdem in den darauffolgenden 20 Jahren neben Erdziegelbauten Jurten her, die seinem Streben nach einem einfachen, der Natur verhafteten Lebenskonzept folgen. Wiederholt reicht Florian Entwürfe und Modelle bei verschiedenen Wettbewerben für Arbeiten im öffentlichen Raum ein,[ii] so auch für das unrealisierte Projekt an der Universität Augsburg im Jahr 2004, dessen Modell „Fächerdach“ in Murnau zu sehen ist. Dabei nimmt das Material Stoff wieder eine zentrale Rolle ein. Seine Faszination für das Element Wind, deren Ursprung in Kindheitserlebnissen in der Bax liegt, mündet in der von ihm selbst betitelten „Windart“: 2004 platziert er am Fuß von zwei sich treffenden Tälern die Installation „Rafalodrome“; bestehend aus unzähligen Stoffdreiecken, die an parallel laufenden Drahtseilen hängen, vorderseitig blau, rückseitig orange: Diese Stoffecken visualisieren die starken Windwirbel der aus dem Norden wehenden Tramontane, indem sie durch die Windkraft in die Luft emporgehoben werden und ihre orangene Rückseite zeigen.[iii] Des Weiteren setzt Florian seit 15 Jahren Fundstücke zu sogenannten Assemblagen zusammen, ganz der Tradition der aus zahlreichen Materialien zusammengesetzten Masken von Willi in der Bax und den spielerisch dreidimensionalen Collagen im Spätwerk Rupprechts folgend.
Die vier besprochenen Künstler haben sich nicht nur künstlerisch gegenseitig beeinflusst. Es entstehen sogar gemeinsame Projekte zwischen Rupprecht und seinen Söhnen. So gestaltet Lenz beispielsweise typografisch die sechs von Rupprecht in intensiven Farben entworfenen Plakate der Konzertreihe Musica Viva aus den Jahren 1963/1964 – exemplarisch wird das Plakat zum Konzert am 17. Januar 1964 gezeigt. Florian wiederum entwickelt zusammen mit seinem Vater 1985 für die Retrospektive in Berlin, Düsseldorf und Ludwigshafen eine zeltartige, trichterförmige Rauminstallation aus Stoff, die „Rote Trombe“: Der Ausstellungsbesucher wird aufgefordert, sich darunterzulegen und – ganz von Pink umgeben – zu meditieren. Neben diesen gemeinsamen Projekten birgt Kunst aber auch meist Konfliktpotenzial, das sich in einer Künstlerfamilie auf engstem Raum besonders zuspitzen kann. Trotz unübersehbarer Unterschiede gibt es im Werk der vier ausgestellten Künstler der Familie Geiger, wenn auch teilweise unterschwellig, zahlreiche Berührungspunkte und Querverbindungen. Vielleicht bieten sogar die unterschiedlichen Herangehensweisen und Kunstformen eine Ergänzung zwischen den verschiedenen künstlerischen Positionen der Künstlerfamilie Geiger. Und die Kunstreise geht weiter: Nanda Lavaquerie, die Tochter Florians, widmet einen Teil ihres Lebens der Fotografie …
[i] Florian Geiger in einem Gespräch mit der Verfasserin im Zuge der Vorbereitungen einer Ausstellung im Künstlerhaus Geiger – die Bax, Sommer 2013.
[ii] An der Universität Passau über dem Haupteingang der Mensa steht beispielsweise das Werk „Segel-Seil-Objekt“ von Florian Geiger aus dem Jahr 1988, siehe: Bildwerk Bauwerk Kunstwerk. 30 Jahre Kunst und staatliches Bauen in Bayern, hg. vom Bayerischen Staatsministerium des Innern, Oberste Baubehörde, München 1990, S. 188 f.
[iii] Eine Dokumentation dieser Installation ist im Film „Rafalodrome“ von Florian Geiger aus dem Jahr 2004 zu finden.
Dieser Auszug stammt aus dem Ausstellungskatalog zur oben genannten Ausstellung.
Zitierweise: Geiger, Julia: Die Künstlerfamilie Geiger: Eine Kunstreise über Generationen, in: Kat. Ausst. Väter & Söhne. Konfrontation und Gleichklang, Schloßmuseum Murnau 2016, München 2016, S 125f.
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